Handwerk und Form

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Geli Salzmann
Univ. Lektorin
Dipl. - Ing. MAS ETH

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Österreich

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Werkraum Bregenzerwald: Handwerk und Form

10/2015

Einfache, intelligente Lösungen für nützliche Produkte zu erbringen, so hieß die Aufgabenstellung des siebten Wettbewerbs Handwerk und Form Bregenzerwald. Dazu schmiedeten, formten, polsterten, sägten, hobelten, schnitten und fügten die Teilnehmenden bewusst gewählte Werkstoffe zu 115 Gebrauchsobjekten zusammen. Mit Ingrid Amann, Harry Metzler und Robert Fabach war auch Geli Salzmann als Jurorin bestellt.

Jury Reflexion
Text: Geli Salzmann, 17.9.2015

Das Resultat, ein Spektrum von vornehmlich Möbeln und Wohnaccessoires, aber auch Schuhen, Spielgeräten bis hin zu einer Wohnraumerweiterung, spiegelt die Gewichtung von Gegenständen des alltäglichen Bedarfs aus Sicht der Teilnehmenden wider. Die Vielfalt der Produkte lässt sich kaum in Kategorien fassen, zu unterschiedlich ist deren Maßstab und Intention. Dennoch lassen sich Tendenzen erkennen. Ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben und zu werten, sind mir bei den Beiträgen eine handvoll Trends aufgefallen, die teils schon geläufig sind und andererseits großes Erstaunen bei mir auslösten.

Trend 01 Alpen Chic und Flair
Der Alpenboom hinterlässt auch im Design Spuren. Einzelne Produkttitel spielen mit dem Sujet Alpen Chic oder Alpen Flair und bedienen mit tradierten Objekten die aktuelle Mode, die in vielen Hotels und Wohnhäusern zum Wohnstil zählen.

Trend 02 Fichte als Möbelholz
Waren während der letzten Jahrzehnte vor allem heimische Edelhölzer in der Möbelproduktion vorherrschend, lässt sich eine Trendkorrektur hin zu gewöhnlichen Hölzern feststellen. Ob Kasten. Sofa oder Tisch, die Leichtigkeit der Fichte kehrt in die Möbelwerkstätten zurück.

Trend 03 …aus einem Stück geschnitten
Sei es eine gewöhnliche Mehrschichtplatte, die zu einem Tisch ohne Verbindungsmittel zusammengesteckt wird, ein Stück Filz, das mit Mustern ausgestanzt zu einem Vorhang wird, ein Stück Matratzengradl, das zu einem Kleid lanciert oder eine Eisenplatte, die durch Einschnitte und Biegungen letztendlich einen Stuhl formt. Das Maß der Dinge und das Schnittmuster ergeben sich aus handelsüblichen Halbprodukten.

Trend 04 Schlicht und eklektizistisch zugleich
Frei und unbelastet verschmelzen in einzelnen Stücken - wie zum Beispiel eine Bank mit Lederlattenrost oder ein Brettertisch auf Messinggratleisten - verschiedene Konstruktionen und Materialien. Sie transformieren die in der Region vorherrschend puristische Haltung in neue Sphären.

Trend 05 Handwerk im Raum
Soziokulturelle Werte stehen vor allem beim Projekt Wald-Wohn-Werkraum im Vordergrund. Hier wird das Handwerk als Medium für die Umsetzung des regional brisanten Themas „Leerstand in alten Städel“ miteinbezogen. Das Potential einer Kooperation von regionalen Handwerkern mit ArchitektInnen könnte hierbei eine Alternative zur mittlerweile auch im Bregenzerwald gängigen Umsetzung von Bauprojekten darstellen und einen wahrhaft regionalen Beitrag zur Baukultur im Tal leisten.

Resümierend lässt sich festhalten, dass die Handwerker im Bregenzerwald Werkstücke mit einzigartig hoher Qualität erzeugen und sich ihr Tun zunehmend an der Schnittstelle zwischen Handwerkskunst und Industrial Design bewegt. Einerseits entstehen durch das Zusammenspiel von ArchitektInnen, DesignerInnen und HandwerkerInnen Unikate und andererseits Prototypen, geeignet für serielle, handwerkliche Produktionen.
Dabei geht die Botschaft der eingereichten Werkstücke über die Gestaltung einzelner Objekte hinaus, das Betrachtungsfeld hat sich um viele Facetten erweitert. Die BewerberInnen fokussierten neben der konkreten Gestaltung auch zugehörige Produktionsprozesse, genauso wie ideelle und materielle Bedürfnisse in Bezug auf das eigene Lebensumfeld. Durch die eingereichten Werkstücke werden damit auch sozioökonomische, kulturelle, ökologische und politische Themen zum Ausdruck gebracht. Beispielsweise erzeugen Menschen mit Beeinträchtigungen Bürsten und Besen, die durch die Verknüpfung ihrer Fähigkeiten mit der ansässigen Handwerkskunst, hochwertige Produkte entstehen lassen. Auch die Auseinandersetzung mit den Folgen des landwirtschaftlichen Strukturwandels in Bezug auf die Nachnutzung von leerstehenden Bauernhäusern greift neben der Gestaltung vor allem soziokulturelle und politische Aspekte auf.
Das selbstverständliche Zusammenspiel von Baukultur und Handwerkskunst haben der Region sowohl touristisch als auch kulturell internationale Aufmerksamkeit beschert, die es nun gilt, auf eine gesellschaftspolitische Ebene zu heben. Neben dem Perfektionieren der handwerklichen Fähigkeiten liegt die zukünftige Herausforderung aus meiner Sicht in der Gestaltung des eigenen Lebensraums, vor dem Hintergrund der bäuerlichen Kulturlandschaft hin zum modernen ländlichen Raum mit Lebensqualität. Das Handwerk im Bregenzerwald spielt dabei eine wesentliche Rolle, es ist meines Erachtens Dreh- und Angelpunkt für den Aufbruch in diese Dimension.